607223 UE Kulturtheorie und kulturelle Praxis: Menschmaschinen / Maschinenmenschen in der Literatur. Golems, Roboter, Androiden und Cyborgs als das dritte Geschlecht.

Wintersemester 2022/2023 | Stand: 16.05.2022 LV auf Merkliste setzen
607223
UE Kulturtheorie und kulturelle Praxis: Menschmaschinen / Maschinenmenschen in der Literatur. Golems, Roboter, Androiden und Cyborgs als das dritte Geschlecht.
UE 2
5
14tg.
jährlich
Deutsch

In ihrer berühmten Studie „Bodies that matter“ (1995) beschreibt Judith Butler einen Bereich der Außenstehenden und Verworfenen, die – wie etwa homo-, bi- und intersexuelle Menschen – nicht in das von heterosexuellen Hegemonien geprägte Bild unserer westlichen Gesellschaften passen. Ähnliche Überlegungen stellt Donna Haraway in ihrem „A Cyborg Manifesto“ (1984) an, wenn sie feststellt, dass unser bipolares Denken immer eines Dritten bedarf, das sich nicht in eindeutige Kategorien wie männlich oder weiblich einordnen lässt. Im Rahmen dieser Übung sollen den Studierenden diese Theorien vorgestellt werden, um sie danach mit der literarischen Science-Fiction-Figur des „Maschinenmenschen“ zusammenzudenken. In literarischen Texten wie Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818), Gustav Meyrincks „Der Golem“ (1913/14) bis hin zu Marge Piercys „He, She and It“ (1991) oder Terry Pratchetts „Feet of Clay“ (1996) werden künstliche erschaffene Wesen thematisiert, die sich durchaus mit der Kategorie des dritten Geschlechts nach Butler und Haraway verknüpfen lassen. Ziel der LV ist es, diese literarischen Figuren gendertheoretisch zu untersuchen und ihre gesellschaftlichen Funktionen aufzuzeigen.

Bereits in seinem im 4. Jh. v. Chr. entstandenen Hauptwerk „Politik“ träumte Aristoteles von Maschinen, die die Aufgaben von Sklaven übernehmen und damit das soziale Leben revolutionieren könnten. Wesen, die weder Mensch noch Maschine, weder Mann noch Frau, weder Lebewesen noch Gegenstand sind, beschäftigen unsere Fantasie also bereits seit Jahrtausenden. Dies belegt auch die altjüdische Sage vom Golem aus dem 12. Jh. n. Chr., einem aus Lehm gefertigten Wesen, das von weisen Rabbis zum Leben erweckt werden kann. In die Literatur finden diese und ähnliche Wesen v.a. seit Beginn des industriellen Zeitalters Eingang. E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ (1816) und Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818) sind frühe Beispiele für Science-Fiction-Prosa, die sich mit dem Thema des künstlich erzeugten Menschen beschäftigt. Im 20. Jh. spielt schließlich neben dem technischen Aspekt auch jener des digitalen und biogenetischen eine wesentliche Rolle. Roboter, Androiden und Cyborgs vervollständigen das moderne Bild des „Mischwesens“, das der Menschheit sowohl Fluch als auch Segen sein kann. Im Rahmen dieser Übung werden einige der wichtigsten Klassiker dieses Genres – wie Isaac Asimovs „I, Robot“ (1950), Philip K. Dicks „Do Androids Dream of Electric Sheep?” (1968) oder Ian McEwans „Machines Like Me“ (2019) – aus einer gendertheoretischen Perspektive untersucht.

Die Theorien von Donna Haraway und Judith Butler werden den Studierenden von der LV-Leiterin zu Beginn in Vorträgen vorgestellt. Die Tragfähigkeit des theoretischen Ansatzes wird im zweiten Teil der LV von den Studierenden in Lerngruppen praktisch erprobt und in Präsentationen vorgestellt.

Um die LV positiv abzuschließen, müssen während des Semesters im Rahmen von Lerngruppen Referate gehalten und drei kurze (3 Seiten) Diskussionsbeiträge verfasst werden. Zusätzlich wird die aktive Beteiligung an den Diskussionen in die Benotung miteinbezogen.

  1. Adam, Marie-Hélène (Hg.): Technik und Gender. Technikzukünfte als geschlechtlich codierte Ordnungen in Literatur und Film. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2016.
  2. Aurich, Rolf (Hg.): Künstliche Menschen. Manische Maschinen, kontrollierte Körper. Berlin: Jovis 2000.
  3. Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997.
  4. Butler, Judith: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2009.
  5. Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/Main: Campus 1995.
  6. Haraway, Donna: Ein Manifest für Cyborgs. In: Dies.: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt / Main: Campus 1995, S. 33 -73.
05.10.2022
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Mi 05.10.2022
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 19.10.2022
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 16.11.2022
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 30.11.2022
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 14.12.2022
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 18.01.2023
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei
Mi 01.02.2023
08.30 - 11.45 40123 40123 Barrierefrei