608270 Literatur im historischen Kontext: Autonomie, Spiel, Müßiggang. Die ästhetische Entdeckung der freien Zeit 'um 1800'

Wintersemester 2017/2018 | Stand: 11.01.2018 LV auf Merkliste setzen
608270
Literatur im historischen Kontext: Autonomie, Spiel, Müßiggang. Die ästhetische Entdeckung der freien Zeit 'um 1800'
PS 2
2,5
wöch.
semestral
Deutsch

Fertigkeit, literatur- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge am Beispiel der jeweiligen Epochen zu erklären und wissenschaftlich zu vergleichen, Vertrautheit mit wichtigen kanonisierten Texten und entsprechenden Kanonisierungsprozessen, Kenntnis literaturgeschichtlicher Hilfsmittel 

 

In dem Seminar werden wir an Beispielen aus der Ästhetik (G. E. Lessing, I. Kant, K. Ph. Moritz, Fr. Schiller, Fr. Schlegel) sowie an literarischen Texten (Chr. M. Wieland, J. W. Goethe, L. Tieck, G. Büchner) der freien Zeit als einer Wissensfigur ‚um 1800’ auf den Grund gehen. Mit Wissensfigur ist gemeint, dass es sich (noch) nicht um einen Begriff handelt, sondern zunächst um einen Bereich, in dem komplexe und konfligierende Aspekte der Moderne (wie der Zusammenhang von Freiheit und Unterwerfung, von Individualität und Gesellschaft) beobachtet, zur Anschauung und in diverse terminologische Formen, wie z.B. Einsamkeit, gebracht wurden. Die Effekte dieser Zeiten konnten positiv (Lust, Vergnügen) oder negativ (Langeweile) sein. Überdies erklärt sich der Problemgehalt der freien Zeit ‚um 1800’ daraus, dass in ihr zwei konträre Aspekte zusammenfallen: Zum einen konserviert sich in der freien Zeit das Vorrecht von Klerus und Adel, nicht arbeiten zu müssen – in ihr erhält sich der Müßiggang als Privileg; zum anderen kann die 'bürgerliche' Idee der Autonomie sich nirgends so sehr zeigen wie dort, wo dem bürgerlichen (sprich: arbeitenden) Menschen die Bande der Pflicht gelockert werden – in der freien Zeit scheint das universelle Versprechen der Freiheit individuelle Form annehmen, in Praxis überführt werden zu können.

Es ist insbesondere die ästhetische Theorie, die sich den Gefahren und Potenzialen freier Zeit widmet. Am ästhetischen Gebilde, aber auch seiner Produktion und Rezeption liefert sie Beispiele für autonome Entfaltung. Das, was K. Ph. Moritz in seiner Autonomieästhetik und später Schiller in seiner Spiel-Theorie vorstellen, sind Versuche, am Beispiel der Kunst ideale Formen der Selbstaffirmation und -regulation zu diskutieren. Dafür räumen sie sowohl den Künstlern als auch den Kunstrezepienten eine Zeit zur Auseinandersetzung mit Kunst ein, die im Idealfall zu einer Formierung des Selbst, also zu einer intern regelgeleiteten Entfaltung freier Subjektivität führt. Dies bedeutet nicht nur, dass sie die ehemaligen Privilegien von Adel und Klerus, Muße und Müßiggang, in den ästhetische Produktion- und Rezeptionsprozess übertragen, sondern dass sie vielmehr diese Privilegien sowohl zu individualisieren, demokratisieren und universalisieren als auch ihre Gefahren, Faulheit, Melancholie, Langeweile, zu minimieren suchen.

Nach dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verliert diese Utopie an Überzeugungskraft und freie Zeit wandelt sich in das Andere der Arbeit, in Freizeit. Und wir werden über die Gründe und Folgen des Bedeutungsverlusts, aber auch die Wiederkehr des Müßiggangs diskutieren, der sich in unserer Gegenswartskultur in den Augen einiger vollzieht.

Gruppenarbeiten, Impulsreferate, Textarbeit

Referat, schriftliche Arbeit

Es wird ein Reader bereitgestellt. Friedrich Schillers Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen sind jedoch käuflich zu erwerben und vor Beginn des Seminars zu lesen - bitte nutzen Sie die Reclam-Ausgabe: 

Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen

Hrsg.: Berghahn, Klaus L. 287 S.  
ISBN: 978-3-15-018062-4 

Weitere Primärliteratur, die wir behandeln werden:

Christoph Martin Wieland: Die Geschichte des Agathon (1766/67/73/94)

Gotthold Ephraim Lessung: Gedichte, Hamburgische Dramaturgie (1767/69)

Karl Philipp Moritz: Über die bildende Nachahmung des Schönen (1788)

Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft (1790)

Johann Wolfgang Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96)

Friedrich Schlegel: Lucinde (1799)

Goethe/Schiller: Über den Dilettantismus (1799)

Friedrich Fröbel: Die  Menschenerziehung (1826)

Ludwig Tieck: Des Lebens Überfluß (1837/39)

Georg Büchner: Leonce und Lena (1838)

Anmeldungsvoraussetzung/en für das Bachelorstudium Germanistik: Positive Beurteilung des Pflichtmoduls 17, Anmeldungsvoraussetzung/en für das Lehramtsstudium UF Deutsch: Positive Beurteilung PS/VU "Einführung in die Literaturwissenschaft", VU "Orientierung Literaturwissenschaft", PS "Textanalyse und Interpretation"

03.10.2017
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Di 03.10.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 10.10.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 17.10.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 24.10.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 31.10.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 07.11.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 14.11.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 21.11.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 28.11.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 05.12.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 12.12.2017
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 09.01.2018
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 16.01.2018
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 23.01.2018
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei
Di 30.01.2018
13.45 - 15.15 50105/2 SR 50105/2 SR Barrierefrei