641223 Phänomene des Kulturkontakts: Kulturtypen und Kulturmythen der sinitischen Zivilisation: China, Taiwan, Korea

Sommersemester 2017 | Stand: 07.02.2017 LV auf Merkliste setzen
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Phänomene des Kulturkontakts: Kulturtypen und Kulturmythen der sinitischen Zivilisation: China, Taiwan, Korea
UE 2
5
Block
jährlich
Deutsch

In der westlichen Welt gründet sich das Verständnis der sinitischen Zivilisation in der Regel auf Übersetzungsliteratur. Deren Wirkung ist sowohl quantitativ als auch qualitativ noch weit davon entfernt, eine Grundlage für regen intellektuellen Ausstausch im kulturellen Leben bereit zu stellen, welche die Übersetzungsliteratur in Ostasien dort bereits über Generationen bietet. Tatsächlich liegt aber die Hemmung, welche den westlichen Intellekt im Umgang mit dem ostasiatischen Geistes nach wie vor in die Falle des Exotismus drängt vielleicht noch vielmehr in einer Unkenntnis der Wirkung großer  Kulturmythen und der durch sie hervorgebrachten literarisch-sozialen Persönlichkeitstypen begründet. So ist etwa die in Ostasien das Bild des „literarischen Talentes“ 文才bestimmende Typologie in ihrer äußerst engen Verflechtung mit den Widersprüchen zwischen spiritueller und weltlicher Macht, zwischen ethischer Verantwortung und ästhetischer Freiheit weitgehend unbekannt. Das Bild des modernen chinesischen Intellektuellen in seinem meist sehr zwiespältigen Verhältnis zur Staatsmacht und seinem ausgeprägten Sinn für gesellschaftliche Verantwortung wird in der Regel nur allzu leicht mit dem nichtssagenden Epitaph „Dissident“ verwischt. Aber auch andere Typen, wie etwa der des gesetzlosen, doch wenigstens (selbst) gerechten „Haudegens“ , der ihren Kummer „verschluckenden“ Schönen (poetische Maske für den betrogenen Beamten), der über übernatürliche Kräfte gebietenden buddhistischen Nonne, die als Meuchelmörderin die Fäden des Leidens trennt bleiben als solche unbekannt und unbesprochen. Infolgedessen werden die entsprechenden Figuren bei der Begegnung mit einem Werk oft nicht in ihrer typologischen Ausrichtung und mit den dahinter wirksamen Kulturmythen erkannt und die im Werk enthaltene Wahrheit so schnell vergessen wie die exotistische Befangenheit des Betrachters vorübergeht. Das Seminar versucht diese Verlegenheit in Ansätzen und mit Bezug auf eine Auswahl konkreter Fallstudien zu lösen und den Teilnehmern Wissen and Möglichkeiten zum eigenständigen Verstehen ostasiatischer Kultur zu vermitteln.

  1. Einführung in die literarische Typologie des kaiserzeitlichen China und Grundriss der klassischen Literatur, ihrer wichtigsten Subgenres und einiger Einzelwerke sowie herausragender Persönlichkeiten.
  2. Mythen und Kulturtypen in Klassikern und frühmodernen, sowie modernen Adaptionen...
  3. Diskussion gattungsübergreifender Transformationsprozesse: von Mythologie und Religion zu Dichtung; von narrativer Prosa zu Theater, Oper, Film; von lyrischen Mythen zu modernem Tanztheater, von klassischer Landschaftspoesie zu ökokritischer Fotomontage.

Da keine Kenntnisse der chinesischen Sprachen vorausgesetzt werden, wird auf Übersetzungen mythologischer, lyrischer und narrativer Quellen in’s Englische und Deutsche zurückgegriffen. Bis spätestens 4 Wochen vor Beginn der Sitzungsperiode werden die Teilnehmer eine Kompilation von Textmaterialien misamt Erläuterungen zu deren Studium erhalten. Die Materialien bestehen sowohl aus Übersetzungen literarischer Quellen als auch aus Kommentaren und ausgewählten Auszügen aktueller Forschungsliteratur. Auf theoretische Texte, die später in’s Zentrum der Diskussion gerückt werden, wird explizit hingewiesen. Während der Sitzungsperiode werden die drei Hauptaspekte „Einführung in die literarische Typologie“, „Mythen und Kulturtypen“ und „Transformationsprozesse“ in Folge abgehandelt, wozu der Kursleiter zusätzliche Arbeitsmaterialien beisteuern wird, die – vorausgesetzt die Vorbereitung mit Hilfe der Textauswahl hat stattgefunden – im Unterricht kursiv gelesen werden können. Im dritten Teil „Transformationsprozesse“ wird von den zuvor überwiegenden klassisch-literarischen Texten zunehmend auch auf deren Rezeption durch neue Kunstmedien übergegangen (Film, Moderner Tanz, Fotomontage, Internetlyrik).

Jeder Teilnehmer muss aus den vorab studierten Materialen ein Thema zur Ausarbeitung eines Kurzreferates (15 min.) auswählen. Für das Kurzreferat sollten nach Möglichkeit ein bis zwei ergänzenden Quellentexte/wissenschaftl. Literatur selbstständig gesucht und eingebunden werden. Es besteht die Möglichkeit, Referate zu zweit zu halten, wenn gleichwertige Vortragsabschnitte zwischen den Autoren gleichmäßg aufgeteilt werden. In diesem Fall beträgt die Redezeit 30 Minuten.

Eine Teilnahme an den Sitzungen ohne Ausfall ist grundsätzlich Voraussetzung für den Scheinerwerb.

Mündliche Beteiligung an den Diskussionen wird mit einem Faktor von 25% in die Gesamtbewertung einbezogen.

1.    Bauer, Wolfgang: Das Antlitz Chinas. Die autobiographische Darstellung in der chinesischen Literatur von ihren Anfängnen bis heute. (Carl Hanser 1990)

2.    Berkowitz, Alan J.: Patterns of Disengagement. The Practice and Portrayal of Reclusion in Early Medieval China (Stanford University Press 2000)

3.    Birrell, Anne: The Dusty Mirror. Courtly Portraits of Woman in Southern Dynasty Love Poetry. In: Hegel, Robert E. and Hessney, Richard C.: Expressions of Self in Chinese Literature (Columbia University Press 1985)

4.    Lupke, Christopher: The Sinophone Cinema of Hou Hsiao-hsien: Culture, Style, Voice, and Motion (2016)

 

Übersetzungsliteratur:

 

  1. Debon. Günther: Mein Haus is menschenfern, doch nah den Dingen (Diedrichs 1988)
  2. Eich, Günter: Aus dem Chinesischen (Suhrkamp 1976)
  3. Kuhn, Franz: Der Traum der Roten Kammer (Insel Verlag 1960)
  4. Keller, Raffael: Liu Zongyuan. Am Törichten Bach (Friedenauer Presse 2005)
  5. Schimmel, Annemarie u.a.: Lyrik des Ostens (Hanser 1952)
  6. Stumpfeldt, Hans: Ein Garten der Sprüche. Das Shuo-yüan des Liu Hsiang (79 – 8 v. Chr.) Teil II (Ostasienverlag 2011)
  7. Weinberger, Eliot: The New Directions Anthology of Classical Chinese Poetry (New Directions 2003)
09.03.2017
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Do 09.03.2017
12.00 - 17.00 40628 UR 40628 UR Barrierefrei
Do 09.03.2017
17.00 - 18.45 40620 SR 40620 SR Barrierefrei
Fr 10.03.2017
08.30 - 18.45 40123 40123 Barrierefrei
Sa 11.03.2017
08.30 - 18.45 40123 40123 Barrierefrei