645603 Feldforschungsproseminar: Müll und Abfall aus kulturwissenschaftlicher Sicht
Sommersemester 2010 | Stand: 10.08.2010 | LV auf Merkliste setzen645603
Feldforschungsproseminar: Müll und Abfall aus kulturwissenschaftlicher Sicht
PS 2
3,75
keine Angabe
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Deutsch
Was gegenwärtig unter Müll verstanden wird, ist kulturgeschichtlich betrachtet
ein Phänomen der Moderne. Zwar wurden Abfall und Abfallbeseitigung auch schon
zu früheren Zeiten als Problem erkannt. Aber im Zuge der Industrialisierung
bildeten sich ein neues Müllbewusstsein und einer neuer Umgang mit Abfall
heraus. Seit dem späten 19. Jahrhundert, mit dem Einsetzen der
Massenproduktion, der wachsenden Verstädterung und der Einführung der
Kanalisation, nahm die Gesellschaft ihren Müll zusehends als Bedrohung wahr.
Immer mehr Energie wurde darauf verwendet, die anwachsenden Massen des
Weggeworfenen und scheinbar „Entsorgten“ mit technisch-wissenschaftlichen
Methoden zu entfernen und zu vernichten, aber auch zu sortieren, in Kategorien
einzuteilen und wiederzuverwerten. Mit dem Fortschreiten der Moderne haben sich
die Ausscheidungen ihrer Zivilisation aber auch als Thema der bildenden Künste,
der Literatur und der Sozial- und Kulturwissenschaften etabliert. Das deutet
darauf hin, dass Müll und Abfall nicht nur als ökonomische und ökologische,
technische und rechtliche Angelegenheit zu begreifen sind. Es ist notwendig,
sie auch als kulturelles und insbesondere als alltagskulturelles Phänomen in
den Blick zu nehmen: Wenn das „Hauptproblem unserer Kultur nicht mehr das
Machen ist, sondern das Wegkriegen des Gemachten“ (Martin Scharfe), dann sollte
auch die Forderung an Plausibilität gewinnen, die Volkskunde, die Europäischen
Ethnologie, die Kulturanthropologie, die Empirischen Kulturwissenschaft als
eine „Ethnologie des Mülls“ oder der „fäkalen Produktivität“ (Evelyn Fox
Keller) zu verstehen – und zu praktizieren.
Darum soll es in dieser Lehrveranstaltung gehen, bei der es sich um ein
„Feldforschungsproseminar“ handelt: Für eine Einführungsphase ist zunächst
geplant, einige facheinschlägige oder -verwandte Untersuchungen zum Müll
kennenzulernen und über das methodische Werkzeug zu diskutieren, das für eine
Annäherung an dieses Thema brauchbar sein könnte. Daran anschließend sollen in
Arbeitsgruppen kleine empirische Übungen („Short Cuts“) zu ausgewählten
Aspekten des Themas durchgeführt werden. Einige Beispiele dafür sind: der
Hausmüll und die Mülltrennung, geschlechtsspezifische Müllhandlungen, die
Verrechtlichung und moralisierenden Deutung des Mülls, die Müllabfuhr und das
Deponieren von Müll, die Vernichtung des Mülls, das Leben aus der Tonne und das
Essen von Müll („Containern“), das Recyceln und Reparieren, die Ästhetisierung
des Mülls in der Kunst, die Einrichtung von Müllmuseen u.a.m.
Regelmäßige Anwesenheit und aktive Mitarbeit, Teilnahme an einer
empirischen Übung, Referat und schriftliche Arbeit.
Manfred Fassler: Abfall – Moderne – Gegenwart. Beiträge zum evolutionären
Eigenrecht der Gegenwart. Gießen 1991.
Ludolf Kuchenbuch: Abfall. Eine Stichwortgeschichte. In: Hans-Georg Soeffner
(Hrsg.): Kultur und Alltag. Göttingen 1988, S. 155-170.
Martin Scharfe: Müllkippen. Vom Wegwerfen, Vergessen, Verstecken, Verdrängen und
vom Denkmal. In: Kuckuck. Notizen zur Alltagskultur und Volkskunde, 3 (1988),
S. 15-20.
Adelheid Schrutka-Rechtenstamm: Vom Wegwerfen zum Recycling. Zum neuen
symbolischen Umgang mit Ressourcen. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde,
2000, Sp. 86-98.
Gudrun Silberzahn-Jandt: Die Allgegenwart des Mülls. Ansätze zu einer
geschlechtsspezifi-schen Ethnographie von Müll und Abfall. In: Zeitschrift für
Volkskunde, 92 (1996), S. 48-65.
Michael Thompson: Die Theorie des Abfalls. Über die Schaffung und Vernichtung
von Werten. Aus dem Englischen von Klaus Schomburg. Stuttgart 1981.
Sonja Windmüller: Die Kehrseite der Dinge. Müll, Abfall, Wegwerfen als
kulturwissenschaftliches Problem. Münster u.a. 2004 (zugl. Marburg, Univ.,
Diss. 2002).
Sonja Windmüller: Zeichen gegen das Chaos. Kulturwissenschaftliches
Abfallrecycling. In: Zeitschrift für Volkskunde, 99 (2003), S. 237-248.
Herbert Wittl: Recycling. Vom neuen Umgang mit Dingen. Regensburg 1996.
Beginn: 11.03.2010
- Philosophisch-Historische Fakultät
Gruppe 0
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Datum | Uhrzeit | Ort | ||
Do 11.03.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 18.03.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 25.03.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 15.04.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 22.04.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 29.04.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 06.05.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 20.05.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 27.05.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 10.06.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 17.06.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 24.06.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR | ||
Do 01.07.2010
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14.00 - 16.00 | 4DG14 SR 4DG14 SR |