822102 SE Architekturtheoretische Diskurse

Wintersemester 2025/2026 | Stand: 30.09.2025 LV auf Merkliste setzen
822102
SE Architekturtheoretische Diskurse
SE 2
5
wöch.
jährlich
Deutsch

Die Studierenden erhalten vertiefte Einblicke in spezielle Sichtweisen und Arbeitstechniken der verschiedenen Themen innerhalb der Architektur und setzen individuelle Schwerpunkte.

Convivial Tools

Architektur und Weinbau als Kulturtechniken.

 

Wein fördert die Geselligkeit und funktioniert als soziales Bindegewebe. Bereits die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes verbanden den Genuss von Wein mit rituellen und kultischen Praktiken. Im alten Ägypten war Wein Bestandteil des Begräbnisopfers und das Getränk der Pharaon*innen im Jenseits. In Griechenland und im römischen Imperium war Wein den Göttern Dionysos respektive Bacchus geweiht und ein zentrales Element des Gastmahls (Symposium/Convivium). Schließlich spielt das Trinken von Wein auch im Judentum und Christentum eine zentrale Rolle, nämlich in der Feier des Pessach-Mahls und der Eucharistie bzw. der Abendmahlsfeier. Trotz unterschiedlicher Konnotationen ist stets ein gemeinsames Element ausfindig zu machen: Wein ist eine Kulturtechnik der Konvivialität.

 

Das Seminar widmet sich dem Thema der „Konvivialität“. In seinem 1973 erschienen Buch Tools for Conviviality setzt Ivan Illich den Begriff der Konvivialität in bewusster Abgrenzung zur technokratischen Moderne und entwickelt ihn als Grundlage für einer freien und solidarischen Gesellschaft. Konvivialität ist für Ivan Illich eine Form des Lebens, in der Menschen ihre Werkzeuge – ebenso wie ihre sozialen und räumlichen Strukturen – selbstbestimmt, gemeinschaftlich und im Maß nutzen. Aufbauend auf Ivan Illich und anderen Autor*innen soll Konvivialität interdisziplinär gedacht und im Hinblick der Praxis kooperativer Räume diskutiert. 

 

Die praxisbezogene Komponente des Seminars widmet sich der Konvivialität aus historischer und kulturtheoretischer Sicht und beleuchtet diesen Aspekt im Kontext des Weinbaus in Südtirol – einem Bereich, in dem traditionelle Formen gemeinschaftlichen Handelns, lokaler Ressourcennutzung und maßvoller Techniknutzung erkennbar sind. Ein besonderes Augenmerk gilt der Architektur als Werkzeug gemeinschaftlichen Lebens (Hof/Stube/Genossenschaft) und der Frage, wie Räume Konvivialität ermöglichen aber auch verhindern. 

Lehrveranstaltungsprüfung gemäß § 6 Satzungsteil, Studienrechtliche Bestimmungen.


  • Andreas Gottlieb Hempel, WeinBau: Wein und Architektur in Südtirol (Folio Verlag, 2016).
  • Bruno Latour, Das terrestrische Manifest (Suhrkamp, 2020).
  • Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen (Suhrkamp, 1995).
  • Donna J. Haraway, Unruhig bleiben: Die Verwandschaft der Arten im Cthuluzän (Campus Verlag, 2018).
  • Franco „Bifo“ Berardi, And: Phenomenology of the End – Sensibility and Connective Mutation.(Semiotexte/Foreign Agents, 2016).
  • Franco „Bifo“ Berardi, Futurabilità: La politica del tempo (Nero Editions, 2017).
  • Giorgio Agamben, Die kommende Gemeinschaft (Merve, 2003).
  • Heinz Gert Woschek (Hrsg.), Architektur & Wein: ausgezeichnete Weinarchitektur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol (Callwey, 2010).
  • Helen Hester, Xenofeminism (Merve, 2019).
  • Helen Hester/Nick Srnicek, After Work: A History of the Home and the Fight for Free Time (Verso, Juli 2023).
  • Ivan Illich, In den Flüssen nördlich der Zukunft: Letzte Gespräche über Religion und Gesellschaft mit David Caley (C. H. Beck, 2020).
  • Ivan Illich, Selbstbegrenzung: Eine politische Kritik der Technik (C. H. Beck, 2014).
  • Jacques Rancierè, Der unwissende Lehrmeister: Fünf Lektionen über intellektuelle Emanzipation (Turia+Kant, 2007).
  • Laboria Chuboniks, Xenofeminismus: Eine Politik für die Entfremdung (Merve, 2015).
  • Leo Andergassen (Hg.), Wein in Südtirol: Geschichte und Gegenwart eines besonderen Weinlandes(Athesia, 2025).

Diese LV wird von der Abteilung Bildungsförderung der Autonomen Provinz Bozen unterstützt.

siehe Termine