641201 Literatur und Intermedialität I: Tanz als Text/ Tanztheater / Tanztheorien

Sommersemester 2011 | Stand: 06.07.2011 LV auf Merkliste setzen
641201
Literatur und Intermedialität I: Tanz als Text/ Tanztheater / Tanztheorien
UE 2
5
14tg.
keine Angabe
Deutsch
In den letzten drei Jahrzehnten konnte sich zusehends eine analytisch-methodische Auseinandersetzung mit der Kunstform Tanz im deutschsprachigen Raum als eigenständiges Forschungsfeld in der akademischen Welt etablieren. Dies ist vor allem so engagierten Wissenschaftlerinnen wie Gabriele Brandstetter, Gabriele Klein oder Christina Thurner zu verdanken, die vielfältige – etwa auf semiotischen, poststrukturalistischen und sozialtheoretischen Ansätzen aufbauende – tanztheoretische Modelle entwickelten. Ein Ziel dieser LV wird es deshalb sein, verschiedene theoretische Lesarten von Tanz kennenzulernen und auf ihre praktische Anwendbarkeit zu überprüfen. Um den Studierenden auch einen chronologischen Überblick über die Entwicklung des modernen Tanztheaters zu geben, wird zunächst eine der berühmtesten und auch am leichtesten zugänglichen Tanztheaterinszenierungen gemeinsam analysiert werden: Pina Bauschs 1975 uraufgeführte Choreografie zu Igor Strawinskis Ballettmusik „Le sacre du printemps“ (1913). Darauf aufbauend werden schließlich in einem chronologischen Bogen die Arbeiten weiterer ChoreografInnen wie Jiří Kylián, Jérôme Bel, Maguy Marin, Sasha Waltz und Hofesh Shechter mit der im Vorfeld erarbeiteten theoretischen Begrifflichkeit untersucht.
"Wie können wir Tanz denken, sprechen, schreiben oder lesen?" Mit dieser Frage leiten Gabriele Brandstetter und Gabriele Klein das Vorwort zu ihrer Studie "Methoden der Tanzwissenschaft" ein. Und sie formulieren damit nicht nur die zentrale Problematik der Übersetzung von nonverbaler, körperlicher Interaktion in verbale Sprachsysteme, sondern stellen implizit auch fest, dass sich Tanz -wie alle anderen Medien- und Kunstformen auch - als Text auffassen lässt. Wie alle anderen Textsysteme kann Tanz ebenfalls decodiert, dekonstruiert und im unabgeschlossenen, intermedialen Prozess ständig neu formuliert und weiter gedacht werden. Mit den in der LV behandelten Choreografien soll den Studierenden das breite Spektrum tänzerischen Erzählens vor Augen geführt werden, das sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte auch maßgeblich verändert hat. Während Pina Bausch 1975 mit "Le Sacre" noch auf die Ursprünge des modernen Tanzes zu Beginn des 20 Jh.s in der Ballets Russes zurückgriff, deren innovative Ansätze aber bereits radikal weiterdachte, verknüpft Jiří Kylián in seinen Tanznarrationen z.B. klassische Musik von Vivaldi mit traumähnlicher Körperästhetik ("Bella Figura" 1998) oder Mozart mit überbordenden clownesken Bewegungsabläufen ("Birth-day" 2004). Humor und groteske Überzeichnung verknüpft mit banalen Alltagsabläufen sind wiederum wesentliche Erzählelemente in Sasha Waltz`s frühen Arbeiten ("Allee der Kosmonauten", 1996), während sie sich in späteren Choreografien wie "Dido und Aeneas" (2004) und "Medea" (2007) verstärkt der antiken Mythologie zuwendet. Und während die französischen ChoreografInnen Jérôme Bel und Maguy Marin in ihren letzten Arbeiten immer mehr die Verweigerung der Bewegung, den "Nicht-Tanz", als Ausdrucksmittel entdecken (so etwa in "Umwelt" (2005) von Maguy Marin), thematisiert der israelische Choreograf Hofesh Shechter verstärkt politische Konflikte, Gewalt und Krieg mittels tänzerischer Bewegungsabläufe („Uprising“ 2006).
Einige der tanztheoretischen Grundpositionen sowie ein erster chronologischer Überblick über die Entwicklung des modernen Tanzes und des Tanztheaters werden den Studierenden von der LV-Leiterin in Vorträgen vorgestellt. Weitere theoretische Ansätze werden in Impulsreferaten und Diskussionsgruppen von Studierenden und LV-Leiterin gemeinsam ausgearbeitet. Die praktischen Beispiele aus Choreografien der jüngeren Tanzgeschichte werden in Kurzreferaten von den Studierenden vorgestellt und gemeinsam diskutiert.
Um die LV positiv abzuschließen, muss entweder ein Referat gehalten oder ein Short Paper (ca. 5 Seiten) verfasst werden, sowie an einer Diskussionsgruppe teilgenommen und eine Zusammenfassung eines tanztheoretischen Textes (ca. 2 Seiten) verfasst werden. Zusätzlich wird die aktive Beteiligung an den Diskussionen in die Benotung miteinbezogen.
1.Brandstetter, Gabriele und Klein, Gabriele (Hg.): Methoden der Tanzwissenschaft. Modellanalyse zu Pina Bauschs »Le Sacre du Printemps«. Bielefeld: transcript 2007. (Tanz Scripte 4) 2.Brandstetter, Gabriele: Bild-Sprung. TanzTheaterBewegung im Wechsel der Medien. Berlin: Theater der Zeit 2005. (Recherchen 26) 3.Clavadetscher, Reto und Rosiny, Claudia (Hg.): Zeitgenössischer Tanz. Körper – Konzepte – Kulturen. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript 2007. (Tanz Scripte 10) 4.Dahms, Sibylle (Hg.): Tanz. Kassel, Basel u.a.: Bärenreiter Metzler 2001. (MGG Prisma) 5.Husemann, Pirkko: Ceci est de la danse. Choreographien von Meg Stuart, Xavier Le Roy und Jérôme Bel. Norderstedt: FK medien I 2002. 6.Odenthal, Johannes: Tanz Körper Politik. Texte zur zeitgenössischen Tanzgeschichte. Berlin: Theater der Zeit 2005. (Recherchen 27)
Beginn: Di 15.03.
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Di 15.03.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 29.03.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 12.04.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 10.05.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 24.05.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 07.06.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei
Di 21.06.2011
15.30 - 18.45 40112 40112 Barrierefrei