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Ziel der Veranstaltung ist, einen Einblick in russische Handlungstheorien und Handlungsethiken vom 18. Jahrhundert bis in die Moderne zu geben. Hierbei wird auf die kulturelle Bedeutung und literarische Umsetzung wichtiger Schlüsselkonzepte Wert gelegt, etwa im Bereich Muße und Faulheit, Glück und Lebensentwurf, Handlungserfolg und -scheitern etc.

Die russische Literatur ist berühmt für ihre Untätigen und Müßiggänger. Die Literaten des 18. Jahrhunderts bereisten fremde Länder, zogen sich zum Lesen in den Garten zurück oder sinnierten über den gepflegten Umgang mit den Mußestunden. Gončarovs träger Held Oblomov braucht viele Seiten des Romans, bis er überhaupt aus dem Bett kommt, Čechovs Figuren scheitern – all ihrem Tatendrang zum Trotz – an der Ausführung ihrer Pläne.

Andere – wie Puškins Onegin oder Lermontovs Pečorin – entwickeln fieberhafte Energien und werden schließlich doch von der Ziellosigkeit ihrer Handlungen eingeholt.

Da scheint es nicht überraschend, dass „Glück“ in der russischen Kultur zur problematischen Größe wird. Russen sind im Allgemeinen nicht glücklich, sind sie es aber doch, ist dieser Zustand selten ungetrübt, noch seltener Folge des eigenen Tuns.

Die Vorlesung wird dem Thema „Faulheit, Nichtstun, Glück“ nachgehen, von dem eher geradlinigen, positiven Mußebegriff des 18.  Jahrhunderts bis zu den schwierigen oder gar quälenden Formen der Untätigkeit im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Formen und Begriffe des Nicht-Tuns  werden hierbei als Teil wechselnder Handlungskonzeptionen erschlossen und damit als Leitfaden zu Veränderungen der jeweils vorherrschenden Ethik – die sich sowohl von klassisch aristotelischen Ethikmodellen absetzte aber als auch die westliche Arbeitsmoral nicht vollständig assimilierte.

Anrechenbar für WM 9: Russische Kulturwissenschaft: Ausgewählte Fragen der russischen Kulturwissenschaft