603022 PS Erziehungs- und sozialwissenschaftliche Basisliteratur: Was ist Dialektik und wie macht man sie?
Wintersemester 2019/2020 | Stand: 14.09.2023 | LV auf Merkliste setzenDie Studierenden sind fähig, sozialwissenschaftlich dialektisch zu arbeiten.
Was ist Dialektik und wie macht man sie?
Dialektik ist eine Denkmethode, die beansprucht mehr zu sein als bloße Methode. Sie soll nämlich zugleich ein Aspekt der Sache selbst sein, die gedacht wird. Im Seminar schauen wir uns an, was dieser Anspruch speziell für die Sozialwissenschaften bedeutet.
Das ist aus mehreren Gründen interessant, darunter den folgenden zweien. Der erste ist der, dass die Dialektik den Sozialwissenschaften verspricht, ihre Gründungsfrage angemessen zu beantworten, nämlich: warum braucht es überhaupt ein drittes Wissenschaftsgebiet? Wenn sich die Geisteswissenschaften der Idee widmen und die Naturwissenschaften die von der menschlichen Idee unabhängige Natur untersuchen, was soll dann den beanspruchten Gegenstand der Sozialwissenschaften, den sozialen Sachverhalt, so sehr besonders machen, dass es ein drittes Wissenschaftsgebiet braucht? Es ist wohl kaum abzustreiten, dass der soziale Sachverhalt Momente der beiden älteren wissenschaftlichen Gegenstände hat, er ist ideell und naturhaft zugleich. Die Dialektik kann aber über diese Feststellung hinausgehen, weil sie sich nicht mit einem wissenschaftlichen Kompromiss zufrieden gibt, etwa nach der Art: Gesellschaft sei 50% natürlicher Zwang und 50% freie Gestaltung, oder Erziehung sei 20% genetische Anlage und 80% elterliche Wertebildung. Sondern die Dialektik muss, um den eigenen Anspruch einzulösen, das Besondere des sozialwissenschaftlichen Gegenstands, des sozialen Sachverhalts herausarbeiten. Das ist der erste, sehr allgemeine Grund, warum Dialektik für SozialwissenschaftlerInnen interessant sein könnte.
Der zweite Grund ist der, dass die Dialektik der Stachel in beinahe allen großen Streits der Sozialwissenschaften ist. Etliche Versuche wurden unternommen, die Grundbegriffe sozialwissenschaftlicher Dialektik systematisch einzuhegen, darunter: Totalität und Vermittlung, Widerspruch und Kritik, Wesen und Erscheinung, und nicht zuletzt Subjekt und Objekt. Die letzte große Periode dieser Versuche, Postmoderne genannt, warf zunächst das Subjekt auf sich selbst zurück: das von ihm erkannte, gebildete und vermittelte Objektive gebe es als solches gar nicht, dieses sei viel eher immer sein Eigenes, sein nach außen projiziertes, unterdrücktes und verleugnetes 'Anderes'. Darauf aufbauend proklamierten Derrida, Butler und Andere, das Subjekt selbst sei tot. Wenn sich auch kaum einE SozialwissenschaftlerIn als VertrerIn der Postmoderne bezeichnet, so scheint heute fast Konsens zu sein: das Subjekt mit seiner privilegierten Position ist gestorben. Weder könne es Objektives erkennen, noch könne es entsprechend Wahrheit herstellen. Die Skepsis, dass so verstandene Sozialwissenschaft eher resigniert als dass sie desillusioniert das Erbe der Gesellschaftskritik antritt, rückt für das Seminar in den Hintergrund.
Doch genau vor diesem skeptischen Hintergrund stellen wir uns der Frage, was die Dialektik heute für die Sozialwissenschaften noch sein kann. Wie kann das Programm der Dialektik fortgeführt werden - das ist im Grunde die angemessene, nämlich aktuelle Formulierung der Frage, was Dialektik ist.
Kontinuierliche Lektüre der vorgegebenen Texte und schriftliche Ausarbeitung verschiedener Fragestellungen dazu.
7,5 ECTS (187,5 Arbeitsstunden)
- Teilnahme am Kurs (maximal ein Fehltermin)
- Lektüre aller Texte und Bearbeitung von Textverständnisfragen zu sechs Sitzungen (unbenotet)
- Hausarbeit mit vertiefendem Bezug auf mindestens eineN der Seminar-AutorInnen (benotet)
1. Einführung und Besprechung
Dialektik in der Moderne
2. Idealistische Dialektik: Hegel
3. Materialistische Dialektik: Marx
4. Psychologische Dialektik: Freud
Dialektik nach der Shoa
5. Existenzielle Dialektik: Sartre
6. Negative Dialektik: Adorno
Dialektik in der Postmoderne
7. Intersubjektive Ethik: Butler
8. Religionswissenschaftliche Kritik: Klaus Heinrich
Für BA Erziehungswissenschaft: Es wird empfohlen, diese Lehrveranstaltung erst nach Absolvierung von Modul 4a „Grundlagen und Praxis wissenschaftlichen Arbeitens“ zu besuchen.
- Fakultät für Bildungswissenschaften
- Interdisziplinäres und zusätzliches Angebot
- SDG 4 - Hochwertige Bildung: Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern
Gruppe 0
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Datum | Uhrzeit | Ort | ||
Di 01.10.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 15.10.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 29.10.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 12.11.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 26.11.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 10.12.2019
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 07.01.2020
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! | |
Di 21.01.2020
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09.00 - 12.00 | ST Schöpfstraße ST Schöpfstraße | Findet im SR2 statt!!! |