607223 UE Kulturtheorie und kulturelle Praxis: Menschmaschinen / Maschinenmenschen in der Literatur. Golems, Roboter, Androiden und Cyborgs als das dritte Geschlecht.

Wintersemester 2020/2021 | Stand: 24.08.2020 LV auf Merkliste setzen
607223
UE Kulturtheorie und kulturelle Praxis: Menschmaschinen / Maschinenmenschen in der Literatur. Golems, Roboter, Androiden und Cyborgs als das dritte Geschlecht.
UE 2
5
14tg.
jährlich
Deutsch

In ihrer berühmten Studie „Bodies that matter“ (1995) beschreibt Judith Butler einen Bereich der Außenstehenden und Verworfenen, die – wie etwa homo-, bi- und intersexuelle Menschen – nicht in das von heterosexuellen Hegemonien geprägte Bild unserer westlichen Gesellschaften passen. Ähnliche Überlegungen stellt Donna Haraway in ihrem „A Cyborg Manifesto“ (1984) an, wenn sie feststellt, dass unser bipolares Denken immer eines Dritten bedarf, das sich nicht in eindeutige Kategorien wie männlich oder weiblich einordnen lässt. Im Rahmen dieser Übung sollen den Studierenden diese Theorien vorgestellt werden, um sie danach mit der literarischen Science-Fiction-Figur des „Maschinenmenschen“ zusammenzudenken. In literarischen Texten wie Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818), Gustav Meyrincks „Der Golem“ (1913/14) bis hin zu Marge Piercys „He, She and It“ (1991) oder Terry Pratchetts „Feet of Clay“ (1996) werden künstliche erschaffene Wesen thematisiert, die sich durchaus mit der Kategorie des dritten Geschlechts nach Butler und Haraway verknüpfen lassen. Ziel der LV ist es, diese literarischen Figuren gendertheoretisch zu untersuchen und ihre gesellschaftlichen Funktionen aufzuzeigen.

Bereits in seinem im 4. Jh. v. Chr. entstandenen Hauptwerk „Politik“ träumte Aristoteles von Maschinen, die die Aufgaben von Sklaven übernehmen und damit das soziale Leben revolutionieren könnten. Wesen, die weder Mensch noch Maschine, weder Mann noch Frau, weder Lebewesen noch Gegenstand sind, beschäftigen unsere Fantasie also bereits seit Jahrtausenden. Dies belegt auch die altjüdische Sage vom Golem aus dem 12. Jh. n. Chr., einem aus Lehm gefertigten Wesen, das von weisen Rabbis zum Leben erweckt werden kann. In die Literatur finden diese und ähnliche Wesen v.a. seit Beginn des industriellen Zeitalters Eingang. E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ (1816) und Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818) sind frühe Beispiele für Science-Fiction-Prosa, die sich mit dem Thema des künstlich erzeugten Menschen beschäftigt. Im 20. Jh. spielt schließlich neben dem technischen Aspekt auch jener des digitalen und biogenetischen eine wesentliche Rolle. Roboter, Androiden und Cyborgs vervollständigen das moderne Bild des „Mischwesens“, das der Menschheit sowohl Fluch als auch Segen sein kann. Im Rahmen dieser Übung werden einige der wichtigsten Klassiker dieses Genres – wie Isaac Asimovs „I, Robot“ (1950), Philip K. Dicks „Do Androids Dream of Electric Sheep?” (1968) oder Ian McEwans „Machines Like Me“ (2019) – aus einer gendertheoretischen Perspektive untersucht.

Die Theorien von Donna Haraway und Judith Butler werden den Studierenden von der LV-Leiterin zu Beginn in Vorträgen vorgestellt. Die Tragfähigkeit des theoretischen Ansatzes wird im zweiten Teil der LV von den Studierenden in Lerngruppen praktisch erprobt und in Präsentationen vorgestellt.

Um die LV positiv abzuschließen, müssen während des Semesters im Rahmen von Lerngruppen Impulsreferate gehalten und am Ende des Semesters eine schriftliche Kurzarbeit (Umfang ca. 4,5 Seiten) abgegeben werden.

  1. Adam, Marie-Hélène (Hg.): Technik und Gender. Technikzukünfte als geschlechtlich codierte Ordnungen in Literatur und Film. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2016.
  2. Aurich, Rolf (Hg.): Künstliche Menschen. Manische Maschinen, kontrollierte Körper. Berlin: Jovis 2000.
  3. Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997.
  4. Butler, Judith: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2009.
  5. Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/Main: Campus 1995.
  6. Haraway, Donna: Ein Manifest für Cyborgs. In: Dies.: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt / Main: Campus 1995, S. 33 -73.
15.10.2020
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Do 15.10.2020
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 29.10.2020
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 12.11.2020
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 26.11.2020
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 10.12.2020
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 07.01.2021
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online
Do 21.01.2021
13.45 - 17.00 eLecture - online eLecture - online