720299 SE Theorien, Forschungsmethoden und Ergebnisse der humanisierungsorientierten Arbeits- und Organisationspsychologie: Kritische Perspektiven

Sommersemester 2022 | Stand: 07.12.2021 LV auf Merkliste setzen
720299
SE Theorien, Forschungsmethoden und Ergebnisse der humanisierungsorientierten Arbeits- und Organisationspsychologie: Kritische Perspektiven
SE 2
3,5
wöch.
semestral
Deutsch

In der internationalen Arbeits- und Organisationspsychologie kommt es derzeit zu einer (Wieder-) Entdeckung alternativer sozialwissenschaftlicher Paradigmen zur grundlegenden Reform einer konventionell einseitig an manageriellen Positionen, Perspektiven und Profitinteressen orientierten Mainstream-Forschung. Letztere scheint insbesondere in den Augen einer neuen kritisch gesinnten Generation von Forschenden sowohl in ethisch-moralischer als auch intellektuell-ideologischer und epistemologisch-methodologischer Hinsicht zunehmend an Integrität, Glaubwürdigkeit und Realitätsbezug zu verlieren. Hintergrund dieser Tendenz sind nicht zuletzt zunehmend deutlich sichtbare systeminhärente Widersprüche, Krisenanfälligkeit und soziale Ungerechtigkeiten, konkretisiert durch aktuelle Fehlentwicklungen im unmittelbaren Arbeitsfeld der Disziplin. Die Lernziele der Veranstaltung umfassen fortgeschrittene Grundkenntnisse der wissenschaftstheoretischen (ontologischen, epistemologischen und axiologischen) und interdisziplinären (psychologischen, soziologischen und sozialphilosophischen) Grundlagen, der zentralen Prinzipien, Theorien und Methoden, sowie vertieftes Wissen zu ausgewählten spezifischen Forschungsthemen, Ansätzen, Konzepten und exemplarischen Ergebnissen einer sich derzeit in Entstehung befindlichen, explizit sozialkritischen und radikal-humanistischen Perspektive innerhalb des disziplinären Feldes der Arbeits- und Organisationspsychologie. Die systematische Anwendung der erworbenen Wissensbestände befähigt zur kritisch-reflexiven und theoretisch substantiellen Analyse und Bewertung sowie zum eigenständigen Entwurf von wissenschaftlichen Expertisen und Texten zu konzeptuellen Fragestellungen und Entwicklungen, empirischer Forschung, Fallstudien, organisationalen Praktiken und Interventionen zur sozialen Transformation aus einer solchen grundlegend kritisch-humanistischen Perspektive.

Beispielhaft für beunruhigende Entwicklungen in der Arbeitswelt sind zunehmende Intensivierung und zeitliche Extensivierung oder „Entgrenzung“ von Arbeit, begleitet von Prekarisierung und Polarisierung, damit einhergehende Risiko- und Verantwortungsverschiebungen, Konkurrenzdruck und soziale Konflikte, sowie resultierende Anstiege in arbeitsbezogenen psychischen und psychosomatischen Symptomen, Störungsbildern und Erkrankungen. Letztere stellen sich vermehrt als Folgen von chronischer Überlastung, Fehlbelastungen und Unsicherheit ein, sind aber auch Indikatoren von übergeordneten gesellschaftlichen Prozessen der sozialen Korrosion, Entfremdung und Desintegration, die auf die Arbeitssphäre zurückwirken. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen historische und interdisziplinäre Hintergründe und Einflüsse, Strömungen, Aktivitäten und Meilensteine, aktuelle Debatten und Auswirkungen sowie Widerstände, Kontroversen und Gegenstimmen im Rahmen der dargestellten Entwicklung und weiteren Etablierung kritischer und radikal-humanistischer Perspektiven in der Arbeits- und Organisationspsychologie. Konkrete inhaltliche Schwerpunkte ergeben sich aus den Einflüssen kritischer Traditionen innerhalb der Psychologie (z.B. Subjektpsychologie, analytische Sozialpsychologie, Psychoanalyse, politische Psychologie), engen Bezügen zur kritischen Sozialtheorie (z.B. soziologischer Marxismus, neo-Marxismus der Frankfurter Schule) sowie dem Modellcharakter radikal-kritischer Strömungen in angrenzenden Feldern der Organisations- und Managementforschung (z.B. kritische Managementstudien, Arbeitsprozesstheorie). Aufbauend auf diesen Themenkomplexen werden Grundlagen, Prinzipien, Theorien, Konzepte, Methoden und exemplarische Ergebnisse der emergenten kritisch-humanistisch und emanzipatorisch orientierten Forschungsrichtung in der Veranstaltung interaktiv vermittelt, erarbeitet und diskutiert sowie wissenschaftstheoretisch und ethisch-normativ bewertet. 

Die Lehrmethoden der Veranstaltung umfassen einführende Instruktionen und Vorträge des Dozenten und anschließend thematisch spezifizierte und selbständig ausgestaltete Referate der Studierenden, basierend auf Leseaufträgen und eigener Literaturarbeit, inklusive interaktiver Diskussionen, Übungen und Nachbereitung. Hierauf aufbauend erfolgt die betreute und durch Rückmeldung des Dozenten unterstützte Formulierung, Entwicklung und Präsentation von eigenständigen Projektstudien in Kleingruppen und/oder Einzelleistungen, inklusive deren wissenschaftliche Dokumentation durch graphische Aufbereitung und schriftliche Ausarbeitung. In das Kursprogramm einbezogen werden gegenwärtige Entwicklungen, Projekte und Aktivitäten (Publikationen und Herausgeberschaften, Vorträge und Workshops, Konferenzausrichtung in 2022) mit Beteiligung der Innsbrucker Forschungsgruppe zur kritischen Arbeits- und Organisationspsychologie (I-CROP). Den Studierenden eröffnet sich somit ein anspruchsvoller Forschungsbezug, inklusive der Gelegenheit über den direkten Wissenstransfer hinaus, einen aktuellen Diskurs im akademischen Feld der angewandten Psychologie durch aktive Beteiligung mitzugestalten.

Die Lehrveranstaltung besitzt immanenten Prüfungscharakter. Leistungsbestandteile beinhalten unter anderem mündliche Vorträge und eingereichte Präsentationsmaterialen sowie die Erledigung schriftlicher Arbeitsaufträge und die Erstellung, Kommunikation und Dokumentation von eigenständigen Studienprojekten. Weiterhin zählen hierzu die Erfüllung der regelmäßigen Anwesenheitsvoraussetzungen sowie aktive Beteiligung an Diskussionen und Übungen. Spezifische Bestandteile und Gewichtungen der akademischen Leistungsbeurteilung werden zu Beginn der Veranstaltung bekanntgegeben und erklärt.

Eine strukturierte Literaturliste mit Lese- und Präsentationsaufträgen wird zu Beginn der Veranstaltung bekanntgegeben. Folgende Literaturhinweise sind exemplarisch:

Adler, P. S. (2007). The future of critical management studies: A paleo-Marxist critique of labour process theory. Organization Studies, 28, 1313-1345.

Bonefeld, W. (2016). Bringing critical theory back in at a time of misery: Three beginnings without conclusion. Capital & Class, 40, 233-244.

Hassard, J., Hogan, J., & Rowlinson, M. (2001). From labor process theory to critical management studies. Administrative Theory & Praxis, 23, 339-362.

Islam, G., & Sanderson, Z. (2021). Critical positions: Situating critical perspectives in work and organizational psychology. Organizational Psychology Review, in press.

Klikauer, T. (2015). Critical management studies and critical theory: A review. Capital & Class, 39, 197-220.

Klikauer, T. (2019). A preliminary theory of managerialism as an ideology. Journal for the Theory of Social Behaviour, 49, 421-442.

Mumby, D. K. (2019). Work: What is it good for? (Absolutely nothing)—a critical theorist’s perspective. Industrial & Organizational Psychology, 12, 429-443.

Seeck, H., Sturdy, A., Boncori, A. L., & Fougère, M. (2020). Ideology in management studies. International Journal of Management Reviews, 22, 53-74.

Smith, C. (2015). Continuity and change in labor process analysis forty years after labor and monopoly capital. Labor Studies Journal, 40, 222-242.

Teo, T. (2015). Critical psychology: A geography of intellectual engagement and resistance. American Psychologist, 70, 243-254.

Thompson, M. J. (2017). Critique as the epistemic framework of the critical social sciences. In The Palgrave Handbook of Critical Theory (pp. 231-252). Palgrave Macmillan, New York.

Vidal, M., Adler, P., & Delbridge, R. (2015). When organization studies turns to societal problems: The contribution of Marxist grand theory. Organisation Studies, 36, 405-422.

siehe Termine
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