LFU:online

Die Studierenden haben sich mit dem Verhältnis zwischen Literatur und Politik intensiv auseinandergesetzt, zentrale literaturtheoretische Texte zu dieser Frage kennengelernt und wichtige politische Texte aus drei Jahrhunderten der ukrainischen, belarusischen und russischen Literatur gelesen, von den großen Romanen des 19. Jahrhunderts über sozrealistische Texte bis hin zur aktuellen Protestliteratur gegen den belarusischen Diktator Lukašenka und ukrainische Texte zu den russischen Aggressionen seit 2014.

»Čto delat’?« – »Was tun?« – fragt Nikolaj Černyševskij gleich im Titel seines 1863 erschienenen Romans, eine Frage, die Lev Tolstoj ebenso plagt – sein Text Tak čto že nam delat’? [Was sollen wir also tun?] erscheint 1886 – wie Vladimir Lenin, der einen seiner Haupttexte im Jahr 1902 ebenfalls mit Čto delat’? übertitelt. Fedor Dostoevskij wiederum verfasst 1864 unter dem Titel Zapiski iz podpol’ja [ Aufzeichnungen aus dem Kellerloch] eine wütende Replik auf Černyševskij. Fast zu selbstverständlich politisiert die russische Literatur im 19. Jahrhundert, eine Situation, die sich auch im 20. Jahrhundert nicht ändern wird: Spätestens ab den 1930er Jahren wird das literarische Leben Russlands durch das Gegenüber der offiziellen, durch und durch politischen Literatur des Sozrealismus (Gor’kij, Polevoj, Šolochov) und der systemkritischen Underground-Literatur (Solženicyn, Sinjavskij, Platonov) bestimmt.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 kann in Russland plötzlich alles gedruckt werden, doch Systemkritik kann nach wie vor in (juristischer) Verfolgung münden, wie das Beispiel der belarusischen Literaturnobelpreisträgerin Svjatlana Aleksievič mit ihren Reportageromanen zum Afghanistankrieg oder zu Černobyl’ beweist. Nicht zuletzt werden die großen Protestbewegungen des 21. Jahrhunderts literarisch begleitet, in der Ukraine etwa von Andrej Kurkov, in Belarus von Julija Cimafeeva und Alhierd Bacharevič. Auch die Situation in der Ostukraine, die russischen Aggressionen seit 2014 und nicht zuletzt die russische Invasion vom Februar 2022 finden Wiederhall in den Texten der ukrainischen Autoren Serhij Žadan, Jurij Andruchovyč und Andrej Kurkov.

Die Lektüre ausgewählter politischer Texte der ukrainischen, russischen und belarusischen Literatur soll nicht nur das Verhältnis zwischen Literatur und Politik in Osteuropa nachzeichnen, sondern auch in den Blick nehmen, was mit literarischen Texten passiert, die ›politisch‹ gelesen werden und nicht zuletzt die Frage klären, ob unpolitische Literatur überhaupt möglich ist. Sämtliche Texte liegen sowohl im Original als auch in Übersetzung vor.

Analyse und Reflexion des Primärtextes sowie der Sekundärliteratur durch alle Teilnehmer*innen, Gruppendiskussionen und moderierte Workshops, Referate der Teilnehmer*innen, Impulsvorträge durch den LV-Leiter

Referat, schriftliche Seminararbeit

Wird gesondert bekanntgegeben.

Keine

Ein Anrechnung dieser Lehrveranstaltung als Wahlmodul 4 ist nur bei eindeutigem thematischen Unterschied zu Wahlmodul 3 möglich.

Aufgrund der substanziell unterschiedlichen Zuteilung von ECTS-AP in den verschiedenen Curricula des MA Slawistik und des Lehramtsstudiums Russisch ergeben sich für diese Lehrveranstaltung unterschiedliche Anforderungen. Informationen hierzu erhalten Sie bei Beginn der Lehrveranstaltung durch die Lehrveranstaltungsleiterin/den Lehrveranstaltungsleiter.