LFU:online

Die Studierenden können literatur- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge benennen; sie können das Zusammenwirken von gesellschaftlichen, literatur-, und kulturgeschichtlichen Entwicklungen beschreiben; sie haben die Fertigkeit, literarische Texte selbstständig nach wissenschaftlichen Normen zu interpretieren

Das 18. Jahrhundert wird oft als das „gesellige Jahrhundert“ verstanden (Im Hof). Dies wird vor allem der neuen bürgerlichen Kultur mit ihren Salons, Akademien und privaten Gesellschaften zugeschrieben, die die schwindenden höfischen Strukturen mehr und mehr ersetzen. Gleichzeitig scheinen die gesellschaftlichen Umwälzungen der Zeit (Französische Revolution, beginnende Industrialisierung, funktionale Ausdifferenzierung etc.) einen modernen Individualismus zu befördern (Luhmann), der den gemeinschaftlichen Zusammenhalt in Frage stellt. Kant sieht hier eine paradoxe Grundanlage im Menschen und spricht von einer „ungeselligen Geselligkeit“, da der Mensch zwar eine Neigung hat, sich zu vergesellschaften, aber eben so einen „großen Hang, sich zu vereinzeln“ (Kant; vgl dazu Belwe). Wie der Mensch sich dennoch ohne äußeren Zwang als Teil einer Gemeinschaft verstehen kann, wird deshalb in jener Zeit innerhalb verschiedener Theorien reflektiert. Dabei kommt auch der Literatur eine entscheidende Aufgabe zu, gemeinschaftliche Bindungen zu hinterfragen und vorzuführen (Vollhardt). Damit kann die Literatur der Zeit auch als Teil politischer Diskurse verstanden werden, wobei sie sich nicht davon vereinnahmen lässt. Vielmehr versucht sie politische Konzepte und Gefühle anhand von Begriffen wie ‚Freundschaft‘, ‚Geselligkeit‘ und ‚Gemeinschaft‘ zu hinterfragen oder auch vorzuführen. Das Seminar geht den literarischen Entwürfen zu einer modernen Gemeinschaft nach und versucht sie auch stets an aktuelle politische Debatten anzuschließen, denn die Frage nach dem Zusammenhalt (demokratischer) Gesellschaften scheint derzeit ebenso dringlich der Diskussion zu bedürfen wie zu Beginn der Moderne.

Einführungsvorträge der Lehrenden, Lektüre von Primär- und Sekundärliteratur, Studierendenreferate, Diskussionen, Gruppenarbeit, Hausarbeit.

kombiniert, mündliche Diskussionsbeiträge, ein Referat, eine Hausarbeit (10-12 Seiten).

Auswahltexte:

Immanuel Kant: Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" (1784)

Friedrich Schleiermacher: Theorie des geselligen Betragens" (1784)

Adolph Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen (1788)

Moralische Wochenschriften: Der Gesellige (Auszüge)

Sophie La Roche: Der Eigensinn der Liebe und Freundschaft (1775)

Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltung deutscher Ausgewanderten (1795)

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795)

Friedrich von Hardenberg: Glauben und Liebe oder der König und die Königin (1798)

Ludwig Tieck: Phantasus. Eine Sammlung von Märchen, Erzählungen, Schauspielen und Novellen. Drei Bände. Berlin: Realschulbuchhandlung (1812–1816) (Auszüge)

Bettine von Arnim: Dies Buch gehört dem König (1843)

Weitere Texte werden zu Beginn des Seminars angegeben.

Siehe Curriculum